50. Hermannslauf – 24.04.2022
Bericht von Andi:
Nach pandemiebedingten Absagen und Verschiebungen konnte der Hermannslauf erstmals nach zwei Jahren in seiner gewohnten Form stattfinden.
Für die 50. Ausgabe hat sich der Veranstalter der TSVE Bielefeld zwei besondere Zückerli einfallen lassen. Zum einen wurde die Startaufstellung wieder auf ihren ursprünglichen Standort direkt unterhalb des Hermanns verschoben, mit damit gewonnem Platzgewinn konnte zum anderen die Teilnehmerzahl auf Rekordniveau erhöht werden.
Die drei TVH Läufer Lukas, Merlin und Andi machten sich früh morgens auf den Weg nach Ostwestfalen, um sich dort dann spätestens im Ziel in Bielefeld als „Hermann“ titulieren lassen zu können. Das Wetter scheint perfekt, Temperaturen um die 10 °C am Morgen und strahlender Sonnenschein.
Die Startnummernausgabe erfolgt schnell und unkompliziert, da die meisten Läufer aus der Region diese bereits am Vortag abgeholt haben. Durch die jahrelange Ausrichtererfahrung scheint der TSVE wirklich routiniert im organisatorischen und logistischen Ablauf zu sein. Schließlich müssen knapp 6000 Menschen von Bielefeld nach Detmold transportiert werden. Dafür wurden vermutlich alle Busunternehmen aus dem OWL-Raum engagiert. Aber der Shuttle von Bielefeld nach Detmold klappt auch hier reibungslos. Jeder Läufer bekommt einen Sitzplatz im Bus und kann sich somit auf der einstündigen Fahrt nach Detmold noch einmal voll und ganz auf die anstehenden Strapazen fokussieren.
Der Hermannslauf hat es nämlich in sich. Auf den 31,1 Kilometern müssen neben den 515 positiven Höhenmetern auch 710 Meter Gefälle überwunden werden. Das geht gut in die Oberschenkel. Daneben hindern die wechselnden Untergründe, Asphalt, Waldböden, Sand, Kopfsteinpflaster und Beton daran, einen einheitlichen Laufrhythmus zu finden.
Nichts destotrotz machen wir uns an die Aufgabe. Der Startbereich mit seinen 4600 aufgereihten Läufern ist nach zwei Jahren Großveranstaltungsabstinenz beeindruckend. Im Startblock zu stehen bereitet endlich wieder Gänsehaut. Das Wetter tut sein übriges.
Wir drei Hagener Teilnehmer starten aufgrund der unterschiedlichen Zielzeiten aus drei verschiedenen Startblöcken, welche jeweils mit sechs Minuten Differenz auf die Strecke gehen. Vor der Einsortierung gibt es die obligatorischen Glückwünsche und Shakehands, dann geht es vorbei an den strengen Einlasskontrollen in den Block.
Den Tipp, sich so weit wie möglich vorne zu platzieren, um auf dem schmalen Weg rund ums Hermannsdenkmal nicht zu stark ausgebremst zu werden, haben wohl einige Läufer bekommen. Ein Vorrücken ist unmöglich. Also fällt der Startschuss für mich im Block B um Punkt 11:06 Uhr im hinteren Bereich stehend. Der erste Kilometer ist wirklich sehr eng und wir bewegen uns im Gänsemarsch. Ein Überholen ist so gut wie nicht möglich. Nachdem man den Hermann umrundet hat, geht es auf die breite, asphaltierte Zufahrtsstraße, wo es endlich genug Platz gibt, um sich im Feld einzusortieren. Die ersten drei Kilometer führen steil bergab. Hier heißt es, mit seinen Kräften hauszuhalten und nicht direkt zu überpacen. Unten im Tal angekommen, geht es das erste Mal auf Sandboden, welcher bei jedem Schritt Energie aus den Beinen zieht. Pekkas Tipp, hier links den Trampelpfad zu nehmen, um auf festem Waldboden zu laufen, nehme ich in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Teilnehmer wie eine Entenfamilie aufreihen, nicht zu Herzen. Ich versuche mich so weit wie möglich am linken und rechten Rand des Weges voranzukämpfen, da der Weg hier vermeintlich fester ist.
Den ersten Anstieg auf den Großen Ehberg kann ich noch laufend bezwingen, nach sechs Kilometern sind die Beine noch relativ frisch. Nach dem Abstieg gelangt man auf die Panzerstraße Augustdorf. Hier geht es leicht bergab auf Beton durch eine Menschenmasse in Volksfeststimmung. Die Atmosphäre ist für mich das zweite Mal an diesem Tag gänsehautwürdig und zaubert mir ein fettes Grinsen ins Gesicht. Endlich wieder Veranstaltungen wie diese, die wir alle so schmerzlich vermisst haben.
Nach der Panzerstraße folgt ein relativ entspannter Abschnitt von drei Kilometern. Der Sandboden hier ist wesentlich besser laufbar. Auf diesem Abschnitt heißt es Körner für den ersten Hammer der Strecke zu sparen, welcher ab Km 15 beginnt: Wie eine Wand erhebt sich der Anstieg zum Tönsberg. Puh, mit so einem Anstieg habe ich nicht gerechnet. Die ersten Meter versuche ich dem Laufschritt treu zu bleiben. Doch als ich um mich herum bemerkte, dass alle anderen gehen, wechsle auch ich in schnellen Marsch. Wahrscheinlich wissen die anderen mehr als ich. Der Anstieg ist wirklich quälend lang und steil. Hier macht sich auch die Sonne bemerkbar. Die Temperatur ist mittlerweile auf 18 °C gestiegen. Jeder Windstoß von vorne ist eine Wohltat für den aufgeheizten Körper.
Oben angekommen merke ich, dass der Berg wirklich Körner gekostet hat. Der relativ flache Bergsattel fühlt sich auf einmal nicht mehr so leicht laufbar an. Alles fühlt sich an wie Berghochlaufen. Ich freue mich schon auf Oerlinghausen und die sagenumwobene Stimmung im Dorfkern. Doch vorher geht es steil bergab. Spätestens hier singen meine Oberschenkel Trauerlieder. Die Kopfsteinpflasterpassage ist aufgrund der Trockenheit gut machbar. Dennoch bevorzugen auch hier einige Teilnehmer den heißen Tipp, im Regenablauf links und rechts zu bleiben, vielleicht ein bisschen angenehmer für die Sprunggelenke.
Die Stimmung im Dorf ist wie versprochen grandios und Gänsehautmoment Nummer drei. Diese ausgelassene Partystimmung hat Venloop-Charakter und das, obwohl unsere Ampel noch an der Legalisierung von Laufzuschauererheiterung arbeitet.
Nach Oerlinghausen geht es gefühlt nur noch bergauf. An den steilen Passagen ist an Laufen für mich schon lange nicht mehr zu denken. Ich will es nur noch hinter mich bringen.
Bei Km 23 kommen endlich die Lämershagener Treppen. Ich möchte sie einfach nur hinter mich bringen und erzwinge gequält Stufe für Stufe. Gottseidank gibt es hier keinen Stau und jeder Teilnehmer kann sein eigenes Tempo gehen. Die Gesichter der anderen Mitstreiter sehen zu meiner Verwunderung auch nicht viel fröhlicher aus.
Das kurzfristige Ziel des Anstiegs ist der Sender Eisener Anton bei Km 25. Von da geht es tendenziell bergab zum Zielbereich an der Sparrenburg. Dennoch gibt es einige knackige Hügelchen, welche überwunden werden müssen. Diese finde ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht so schlimm wie die Gefälle. Jeder Schritt lässt die Oberschenkel Aua schreien.
Der Zieleinlauf zur Sparrenburg läuft entlang der Promenade. Pekka warnte uns vor, dass er lang sei. Der ganze Weg ist gesäumt von gut gelaunten Zuschauern, die wirklich alles geben, um die Läufer ins Ziel zu peitschen. Von weitem kann man schon den Zielbogen sehen. Ich mobilisiere noch einmal meinen leidgeplagten Körper, setze mein schönstes Sonntagslächeln auf und komme schließlich unter tosendem Applaus ins Ziel. „Das war also der Hermann.“, denke ich und „Geschenkt war das nicht.“.
Im Zielbereich zeigt der Veranstalter seine Routine. Hier fehlt es bis auf Bier an nichts.
Die Faszination und Anziehungskraft dieser Veranstaltung erschließt sich mir im Nachhinein: Schöne Landschaftsläufe gibt es einige. Und damit kann der Hermann auch aufwarten. Dennoch gibt es nicht viele Läufe, die eine solche Teilnehmerzahl generieren. Der Mythos Hermannslauf lebt zum einen von der Herausforderung, die Strecke und verschiedene Untergründe an die Teilnehmer stellen. Zum anderen kann das Event als Identifikation der Ostwestfalen mit ihrer Region gesehen werden. Davon zeugt nicht zuletzt die ausgelassene Stimmung an der Strecke.
Uns TVHlern hat es großen Spaß bereitet. Die anvisierten Zielzeiten konnten alle erreicht werden. Ob wir wiederkommen? Vielleicht in Contuberniumstärke mit dem restlichen TVH.